Drei-JahresBilanz

Hurra, ich lebe noch!!
Das ist gar nicht so selbstverständlich, wenn ich an den Oktober 2016 zurückdenke …
Heute vor drei Jahren habe ich meine erste Chemo erhalten … nach der niederschmetternden Krebsdiagnose, man könnte mich nur palliativ behandeln, der Krebs hatte schon zu stark metastiert, es ginge um eine solide Lebensverlängerung von einigen Monaten, nach der Chemo hieß es dann drei bis fünf Jahre.
Metastasen sind keine mehr nachweisbar – check!
Der Tumor schrumpft weiter, wenn auch im Millimeter-Bereich, immerhin er schrumpft – check!

Der Preis dafür ist sehr unterschiedlich. In diesem Jahr kämpfe ich, neben den anderen bestehenden Nebenwirkungen wie Polyneuropathie in den Füßen oder trockenen Schleimhäuten, seit März (!) – also bereits sechs Monate (!!!) mit Juckreiz mehr oder weniger am ganzen Körper. Schwerpunktmäßig jedoch an den Händen, sie haben zeitweise sogar offene Wunden, so dass ich nur noch Baumwollhandschuhe mit darüber gezogenen Einweg-Handschuhen trage. Da gilt doch mein „größter Dank“ der Krankenkasse, die den Einsatz von Generika angeordnet hat – natürlich ohne mein Wissen – auf die ich höchst allergisch reagiere. Das ist sehr sehr schmerzhaft und zuweilen hat mich dieser Schmerz auch zermürbt gehabt.
Nicht zu wissen, woher der Juckreiz kommt, alles auszuschließen, was in Frage kommen könnte bis hin zu der großen Angst, ob die Therapie nicht mehr vertragen wird und wie es dann weitergehen kann.
Hätte ich den Mut, eine erneute Chemotherapie abzulehnen und mich tatsächlich nur auf die Naturheilkunde zu verlassen? Bis jetzt handhabe ich es so, dass ich die Antikörpertherapie als mein Sicherheitsnetz betrachte bei all den naturheilkundlichen Ansätzen die ich verfolge.

Seit 3 Wochen diszipliniere ich mich nun wieder in meiner Ernährung und entgifte parallel. Dafür nutze ich das Green Mandarine – Öl von dōTERRA und nehme zweimal täglich Zeolith, um die Giftstoffe schneller aus dem Körper zu transportieren. Gleichzeitig musste ich aus unterschiedlichen Gründen meine Antikörper-Therapie-Sitzung verschieben bzw. einmal aussetzen, so dass mein Körper tatsächlich mal zur Ruhe kommt.
Die Haut an den Fingern ist ja sehr empfindlich und es dauert bis sie komplett regeneriert, seit einigen Tagen trage ich die Handschuhe nur noch, wenn ich mit Flüssigkeit in Berührung komme – juhu !!
Meine Symptome waren einer Neurodermitis sehr ähnlich und ich habe wirklich volles Mitgefühl mit den Menschen mit dieser Diagnose.

Für mein Seelenleben ist einiges positives passiert und das ist im Falle meiner Krebserkrankung ein ganz wichtiger Genesungsfaktor. Der Umzug an die Nordsee im vergangenen Jahr und die damit verbundenen Veränderungen ist aus meiner Sicht eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Natürlich ist hier auch nicht alles perfekt, aber es ist schon nahe dran … der Umzug steckt mir auch tatsächlich noch immer in den Knochen, sichtbar ist er auch noch – eine mit Umzugskartons voll gepackte Garage als auch ein komplettes Zimmer erinnern mich fast täglich daran. Nun denn, ich habe gelernt, dass ich ein anderes Tempo habe bzw. meinem Körper die Ruhe geben muss, auch wenn es mir schwer fällt. Die Ungeduld abzulegen ist eine der schwierigsten Aufgaben in dem Veränderungsprozess. In einigen Bereichen klappt es mit dem neuen Bewusstsein schon ganz prima, die ansonsten so diplomatische Waage, die ich war und bin, hat gelernt ihren Standpunkt zu vertreten und vor allem „nein“ zu sagen. Leider auch mit persönlichen Verlusten, Menschen, die damit nicht umgehen können und sich kein neuer, auf einer anderen Ebene stattfindender Kontakt einstellen will.

Ich singe im Gospelchor bei den Ludgeri Gospel Singers, gerade hatten wir am vergangenen Wochenende unser 15-jähriges Jubiläumskonzert und ich bin so glücklich ein Teil dieses Chores zu sein. Man hat uns, auch Mutti so wunderbar aufgenommen.

Ich engagiere mich ehrenamtlich in der Kirche, etwas was ich mir bis zum letzten Jahr gar nicht hätte vorstellen können und andererseits der Logik folgend, einmal Pastorin werden zu wollen, doch sehr wohl zu mir passt.
Mein Glaube an Gott hat mir insbesondere in den letzten drei Jahren immer wieder die Kraft gegeben, alle Rückschläge, alle Herausforderungen anzunehmen. Als ich noch in Düsseldorf im Sana-Krankenhaus behandelt wurde, hatte ich ein Ritual. Egal ob ich zu einer Untersuchung oder zur Therapie musste, ich bin zu Beginn immer in die Krankenhaus-Kapelle für ein Gebet gegangen und zum Abschluss bin ich dann noch einmal in die Kapelle gegangen und habe mich meist für die positiven Nachrichten bedankt. Die Gebete spreche ich auch heute noch, allerdings habe ich keine Krankenhaus-Kapelle, sondern eine Arztpraxis.
An der Arbeit im Kirchenvorstand mag ich am meisten die Mitgestaltung an den Gottesdiensten. Hier in Norddeutschland sind wir Teil der evangelisch-lutherischen Gemeinde und in dieser folgt der Gottesdienst einer ganz anderen Liturgie als in Nordrhein-Westfalen. Das hat mir von Anfang an gefallen, der engere Austausch zwischen Gemeinde und Pastor bzw. der Pastorin während des Gottesdienstes einschließlich der Übernahme der Lesungen. Nach dem Gottesdienst trinkt man noch eine Tasse Tee oder auch zwei zusammen und klönt mit den anderen Menschen. Hier in Norddeich kommen ja auch viele Touristen in den Gottesdienst und so bekommt man doch immer wieder neue Impulse von außen.
Dazu darf ich auch bei der textlichen Gestaltung des Gemeindebriefes mitarbeiten und habe mittlerweile schon bei drei Ausgaben mitgearbeitet.
Heute ist nun auch Erntedankfest – wie passend … und ich habe „zufälligerweise“ Gottesdienst-Dienst. Ich glaube nicht an Zufälle und finde es immer wieder spannend, wie die Dinge passieren. Denn als ich den Dienst übernommen hatte, hatte ich das für mich besondere Datum gar nicht auf dem Schirm.

Und schließlich habe ich noch eine weitere ehrenamtliche Arbeit „gefunden“ … die Arbeit mit Elisa Bodenstab und dem gemeinnützigen Verein Perpetuum Mobility. Die Freude über dieses Kennenlernen und das Umsetzen der gemeinsamen Ziele hatte ich ja bereits in zwei Artikeln zum Nordsee-Cleanup beschrieben. Da entwickeln sich ganz wunderbare Projekte für die ich sehr dankbar bin.

Sogar Touristen aus Spanien haben uns beim World Cleanup unterstützt …

Beruflich gab es einige Turbulenzen, die noch bewältigt werden müssen, das muss ich mal zu einem späteren Zeitpunkt erzählen. Wahrscheinlich besteht die Möglichkeit bald ein Team in Teilzeit zu unterstützen. Mit einer 100%igen Schwerbehinderung ist es nicht einfach auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen, zumal ein „Nine to Five“-Job aus Konzentrationsgründen auch gar nicht möglich ist. Daumen drücken ist angesagt, damit es vielleicht auch noch in diesem Monat klappt.

Naja und last but not least, das Zusammenleben mit meiner Ma und unseren beiden Tiergenossen, Johnny und Klara bringt eine wunderbare Zufriedenheit, auch wenn es mich zuweilen an meine Leistungsgrenzen bringt.

Noch die letzten Tage im Strandkorb genießen … bald ist die Saison vorbei

Nun denn, ich lebe!! Und das ist das Allerwichtigste!!
… in mein altes Leben möchte ich definitiv nicht zurück …
… eine wichtige Erkenntnis, wie ich finde!!!


Bis bald, herzliche Grüße von der Nordseeküste
Dagmar